Die wirtschaftliche Tätigkeit nach der Liquidation fortführen? Wie?

Das Liquidationsverfahren führt zur endgültigen Auflösung eines zahlungsunfähigen Unternehmens, aus der es – zumindest nach der bisherigen Rechtslage in Ungarn – kein Zurück mehr gibt. Ziel des Liquidationsverfahrens ist es, ein zahlungsunfähiges Unternehmen ohne Rechtsnachfolger aufzulösen. Im Rahmen des Verfahrens könnte der Liquidator zuvor auch beschließen, dass das insolvente Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit im Interesse seiner Gläubiger fortsetzt, allerdings nur bis zum Abschluss der Liquidation und nur, um die Forderungen der Gläubiger möglichst weitgehend zu befriedigen.

Es ist jedoch schwer außer Acht zu lassen, dass es für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit auch weitere wichtige Erwägungen geben kann, die im vorrangigen Interesse der Gläubiger liegen. So ist es beispielsweise häufig der Fall, dass die Vermögenswerte eines in Liquidation befindlichen Unternehmens aufgrund der besonderen Art der Geschäftstätigkeit des Unternehmens oder der spezifischen Beschaffenheit seiner Vermögenswerte unverhältnismäßig schwierig zu veräußern wären oder überhaupt nicht räumlich verbracht werden können. Die vorübergehende Fortführung des Geschäftsbetriebs kann auch gerechtfertigt sein, wenn das Unternehmen Arbeitnehmer mit spezifischen Fachkenntnissen beschäftigt, deren Zugang zum Arbeitsmarkt durch eine sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs unverhältnismäßig erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde. Auch für die Geschäftspartner und das weitere geografische und soziale Umfeld des Unternehmens kann die Fortführung des Betriebs auch nach Abschluss des Liquidationsverfahrens von Bedeutung sein. Leider sah das ungarische Rechtssystem bis vor kurzem eine derartige Möglichkeit nicht vor. Die Situation hat sich jedoch in letzter Zeit – wenn auch nicht auffällig - in engen Grenzen deutlich geändert.

Der Liquidator kann künftig eine neue Gesellschaft gründen, um die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens in Liquidation fortzusetzen/wieder aufzunehmen 

Eine Notstandsverordnung der Regierung könnte eine Lösung für das oben genannte Problem bieten, allerdings nur während des Bestehens des Notstands. Die rechtliche Bestimmung ist nämlich an einen „Notstand“ gebunden, d. h. sie ermöglicht es dem Liquidator eines in Liquidation befindlichen Unternehmens während des „Notstands“, der nach den derzeit geltenden Gesetzen noch besteht, unter bestimmten Bedingungen unter Mitwirkung der Eigentümer eine neue Gesellschaft im Namen des Unternehmens zu gründen, welche die Tätigkeiten des in Liquidation befindlichen Unternehmens fortführt und die erforderlichen Vermögenswerte und Arbeitskräfte übernimmt. Der Liquidator muss hierfür nicht einmal die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Behörden einholen. Wesentlich ist, dass die Anteile an der neuen Gesellschaft innerhalb eines Kalenderjahres durch öffentliche Ausschreibung veräußert werden. Die späteren Eigentümer des neuen Unternehmens sind dann in der glücklichen Lage, die Lasten, Schulden und ungelösten Finanzpositionen des insolventen Unternehmens nicht mehr tragen zu müssen. Die neuen Eigentümer der vom Liquidator gegründeten Gesellschaft erwerben die Vermögenswerte der liquidierten Gesellschaft „bereinigt“, d. h. frei von jeglichen Belastungen. Dies ist keine auffällige, aber eine sehr wichtige Änderung, denn bisher war es in Liquidationsverfahren nur möglich, Vermögenswerte „stückweise“ zu erwerben. Für viele Unternehmen, die sich im Niedergang befanden, hätte ein Ausweg darin bestehen können, ihre Aktiva und Passiva in getrennte Rechtsnachfolger einzubringen und unter Ausklammerung der Schulden und Verbindlichkeiten „nur mit dem Guten“ neu zu beginnen. Dies wurde jedoch durch das frühere Gesellschaftsgesetz und ist auch durch das derzeitige Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich untersagt. Für künftige Fälle wurde diese Ausnahme nun jedoch eingeführt, wenn auch nur unter engen Bedingungen.

Der Kreis der zur Gründung einer Gesellschaft zur Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit Berechtigten

Die eigentliche Frage lautet somit künftig nicht mehr „wie“, sondern „welches“ Unternehmen in Liquidation seine Tätigkeit nach dem Liquidationsverfahren ohne Lasten fortsetzen kann. Die Antwort darauf mag vielen auf den ersten Blick seltsam erscheinen: Nach der „Notstands“-Bestimmung kann der Liquidator die Option der Unternehmensfortführung durch Firmengründung nur für Unternehmen in Liquidation ausüben, die (i) ihrer Verpflichtung zur Einreichung und Veröffentlichung von Jahresabschlüssen nach dem Rechnungslegungsgesetz seit mehr als 400 Tagen nicht nachgekommen sind und (ii) laut ihrem letzten eingereichten Jahresabschluss einen Nettoumsatz von 10 Mrd. Forint oder mehr haben.

Es stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber den Kreis der Unternehmen in Liquidation bzw. zu liquidierenden Unternehmen gerade aufgrund dieser beiden Parameter festgelegt hat. Wenden wir dies auf die Praxis an: Wenn der Jahresabschluss eines Unternehmens für das vergangene Jahr (2022) nicht bis zum 31. Mai dieses Jahres eingereicht wurde, kann der Liquidator frühestens Mitte Juli 2024 die Gründung einer neuen Gesellschaft beschließen, wobei das letzte relevante Jahr für einen Nettoumsatz von 10 Milliarden Forint das Jahr 2021 ist. Dies könnte sogar bedeuten, dass das Unternehmen, das früher einmal wirtschaftlich bedeutend war, sich jetzt jedoch in Liquidation befindet, seit mindestens 2,5 Jahren überhaupt nicht mehr tätig ist. Die 2,5 Jahre „Stillhaltefrist” sind jedoch nur die Mindestfrist, da der Gesetzgeber keine Obergrenze festgelegt hat. Mit anderen Worten: Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass nicht „nur” 400, sondern sagen wir tausend oder sogar mehrere tausend Tage seit dem letzten Jahresabschluss vergangen sind. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind auch auf diese Weise erfüllt, d. h. auch Gesellschaften, die bereits seit vielen Jahren gegen Vorschriften verstoßen und nicht mehr oder kaum noch tätig sind, können „unter Ausklammerung der vergangenen Belastungen” reanimiert/neu gestartet werden.

Die Bestimmung hat jedoch strenge Grenzen:

1) Bereits der persönliche Geltungsbereich wirft zwangsläufig Fragen auf, da auch Unternehmen mit geringeren Umsätzen es wert sein können, als fortbestehendes Unternehmen gerettet zu werden.

2) Es gibt keine zeitliche Begrenzung für die Nichtvorlage von Jahresabschlüssen, sodass selbst einstmals wirtschaftlich bedeutende Unternehmen, die seit Jahren „ruhen“, ohne Belastungen reanimiert werden können, indem lediglich die Vermögenswerte „ausgesiebt“ werden müssen.

3) Der Ausschluss der Gläubiger vom Entscheidungsverfahren des Liquidators zur Gründung eines neuen Unternehmens dürfte für viele ein besonderes Problem darstellen.

4) Der gescheiterte Verkauf der Geschäftsanteile der gegründeten neuen Gesellschaft belastet die Liquidation der neuen Gesellschaft und damit das bei der Liquidation ausschüttungsfähige Vermögen unnötig und unverhältnismäßig, während die Gläubiger dabei kein Mitspracherecht haben.

5) Bei der Regierungsverordnung handelt es sich um eine so genannte Notstandsverordnung, die in ihrer jetzigen Fassung mit dem Ende des Notstands – dies ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels gemäß Artikel 2 des Gesetzes Nr. XI von 2023 der 25. November 2023 – außer Kraft tritt und somit „zeit- und zweckgebunden“ ist.

Das tatsächliche Gewicht und der Wert der Rechtsbestimmung werden durch die Dauer des Notstands bestimmt, soweit wir im Moment wissen. Ihre wahre Rolle wird sich erst zeigen, wenn sich nachträglich herauskristallisiert, welche zahlungsunfähigen Unternehmen während des „Notstands“ gerettet oder zum Zweck des Verkaufs reanimiert wurden. Interessant ist auch die Frage, ob der Gesetzgeber nicht zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden könnte, diese Option auf das Niveau einer normalen, nicht notstandsbedingten gesetzlichen Regelung zu erheben.

Dieser Artikel wurde von Rechtsanwalt Dr. Márton Balogh verfasst, der sich vor Kurzem dem dynamischen und hoch qualifizierten internationalen Team von bpv JÁDI NÉMETH Rechtsanwälte angeschlossen hat.

Im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit zeichnet sich Dr. Márton Balogh unter anderem durch umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Bankfinanzierung, Gesellschaftsrecht und Prozessvertretung aus.

Dr. Andrea Jádi Németh, geschäftsführende Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei bpv JÁDI NÉMETH, begrüßte das neue Mitglied unseres Teams: „Aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen gilt Márton heute als einer der sachkundigsten Anwälte in seinem Fachbereich, seine Kenntnisse sind daher von großer Bedeutung, er ist eine weitere Verstärkung für die erfolgreiche Arbeit der Banken- und Finanzierungsgruppe unserer Kanzlei."

Dr. Balogh sagte: „Ich freue mich sehr, Mitglied eines Teams zu sein, das sich zu einem der führenden Rechtsberater Ungarns entwickelt hat. Das dynamische Team von bpv JÁDI NÉMETH Rechtsanwälte, als unabhängige Anwaltskanzlei mit starken internationalen Beziehungen als Mitglied der bpv LEGAL Allianz, bietet mir eine großartige Plattform für die weitere Entwicklung meiner praktischen Erfahrung als Rechtsanwalt. Ich freue mich auf die neuen Erfolge, die wir gemeinsam erreichen werden."

Quellen:

Regierungsverordnung Nr. 129/2023 (IV. 17.) über die Dringlichkeitsregeln für den Verkauf von Eigentum zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners

Artikel 53 (1) und (5) des ungarischen Grundgesetzes

Gesetz Nr. XCIII von 2021 über die Koordinierung der Verteidigungs- und Sicherheitsaktivitäten, §§ 80-81

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