Leben in der Quarantäne: Homeoffice oder Pflichturlaub – Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in Ungarn

Die Menschheit steht vor der größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Unser Büro steht Ihnen selbstverständlich auch in der gegenwärtigen Situation mit digital geprägter Kompetenz und unverändertem Engagement zur Verfügung. Wir haben Verständnis dafür, dass Ihre Fragen für Sie wichtiger und dringender sind denn je.

„Es werden immer Steine auf dem Weg vor uns liegen. Sie werden Stolpersteine oder Trittsteine sein; es hängt alles davon ab, wie wir sie nutzen.“ (Friedrich Nietzsche)

1. Unter welchen Bedingungen kann der Arbeitgeber Homeoffice anordnen bzw. hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Homeoffice?

Am 18. März wurde eine Regierungsverordnung 47/2020. (III. 18.) über Sofortmaßnahmen zur Linderung der Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie auf die Volkswirtschaft verabschiedet, die den Arbeitgeber berechtigt, notwendige und angemessene Schritte zur Überwachung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers durchzuführen und gegebenenfalls Tele- oder Heimarbeit für einen nicht definierten Zeitraum anzuordnen, ohne dass der Arbeitsvertrag hierfür geändert werden müsste oder die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich wäre. Auch eine Zustimmung der geschützten Kategorien von Arbeitnehmern ist hierfür nicht mehr erforderlich. Ferner muss der Arbeitgeber den betroffenen Arbeitnehmern Änderungen der Arbeitszeit nicht mehr 96 Stunden vor Arbeitsbeginn mitteilen. Darüber hinaus können Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitere Vereinbarungen treffen, um von den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes abzuweichen.

Ansonsten – in der Annahme, dass wir bald aus dieser Zeitkapsel zurückkehren – ist der Arbeitgeber nach den allgemeinen Regeln des ungarischen Arbeitsgesetzes grundsätzlich berechtigt, die Arbeitnehmer anzuweisen, von zu Hause aus zu arbeiten. Eine solche einseitige Anweisung ist aber nur bis zu 44 Arbeitstage oder 352 Arbeitsstunden pro Jahr möglich, danach wäre eine Änderung des Arbeitsvertrags erforderlich. Des Weiteren ist für eine solche Versetzung eine Zustimmung der Arbeitnehmer erforderlich, wenn sie zu einer der folgenden Kategorien gehören: (i) Arbeitnehmerinnen von der Schwangerschaft bis zum Alter des Kindes von drei Jahren; (ii) Alleinerziehende, bis das Kind sechzehn Jahre alt ist; (iii) Arbeitnehmer, die langfristig einen nahen Verwandten persönlich pflegen und (iv) Arbeitnehmer mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Was aber auch heute maßgebend ist: Arbeitnehmer, die nicht zur Arbeit kommen können, weil für ihre Kinder (ohne Krankheitssymptome) kein Schul- oder Tagesbetreuungsplatz besteht, für die jedoch seitens des Arbeitnehmers auch kein Homeoffice nach der neuen Regierungsverordnung eingerichtet werden kann, müssen hierfür ihren bezahlten Jahresurlaub in Anspruch nehmen. Die Arbeitnehmer können sieben Tage ihres Jahresurlaubs zu den von ihnen gewünschten Zeitpunkten (unter Anmeldung gegenüber dem Arbeitgeber mindestens 15 Tage im Voraus) beanspruchen, die restlichen Zeitpunkte werden rechtlich vom Arbeitgeber festgelegt. Arbeitnehmer sind, von strengen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, nicht berechtigt, einseitig unbezahlten Urlaub zu nehmen. Auch wenn ein Kind keine Krankheitssymptome aufweist, können Arbeitnehmer nach den derzeitigen Bestimmungen des ungarischen Arbeitsgesetzes hierfür keinen unbezahlten Urlaub beanspruchen (mit Ausnahme von Arbeitnehmern mit Kindern unter drei Jahren). Diese Option unterliegt der Vereinbarung der Parteien.


2. Welche Pflichten treffen den Arbeitnehmer bei Quarantäne von Arbeitnehmern?

Das ungarische Arbeitsgesetzbuch und andere Gesetze kennen den Begriff der „freiwilligen Quarantäne“ nicht und betroffene Arbeitnehmer – etwa, wenn sie aus einem Hochrisikogebiet zurückkehren – sind im Allgemeinen nicht berechtigt, sich der Arbeitsleistung zu enthalten oder Krankheitsurlaub zu beanspruchen. Im Sinne des Arbeitsrechts kann die „freiwillige Quarantäne“ nur in Form eines bezahlten oder unbezahlten Urlaubs genommen werden. Gemäß der jüngsten Regierungsverordnung 47/2020. (III. 18.) kann der Arbeitgeber jedoch notwendige und angemessene Schritte zur Überwachung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers durchführen. Daher kann eine vom Arbeitgeber angeordnete freiwillige Quarantäne rechtlich gesehen als Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung unter Gehaltsfortzahlung oder als Anordnung von Heimarbeit interpretiert werden.

Bei einer behördlich angeordneten Quarantäne (auf Ungarisch: járványügyi zárlat) während einer Epidemie ist gemäß Artikel 44 g) des Gesetzes über die soziale Sicherheit ein bezahlter Krankheitsurlaub nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber keine anderen Optionen für eine Arbeitserbringung anbieten kann. Daher sollte der Arbeitgeber in erster Linie alternative Möglichkeiten der Arbeitserbringung (Homeoffice) prüfen. Wenn solche Optionen nicht zur Verfügung stehen, hat ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin Anspruch auf eine Gehaltsfortzahlung, als ob er/sie sich im Krankheitsurlaub befände.

Wird dagegen der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin während einer behördlich angeordneten Quarantäne in medizinischer Hinsicht in Zwangsquarantäne „abgesondert" (auf Ungarisch: elkülönítés), gilt er/sie als arbeitsunfähig aufgrund von Krankheit und hat im bezahlten Krankheitsurlaub keine Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten.

Ordnet die Regierung die Schließung eines Standortes an bzw. verhängt sie eine Ausgangssperre, sodass die Arbeitnehmer auch ohne Quarantäne den Arbeitsplatz nicht erreichen können, gilt nach zutreffender Auslegung in einer solchen Situation Art. 44 g) des Gesetzes über die soziale Sicherheit entsprechend, das heißt, wenn der Arbeitgeber keine Bedingungen für Homeoffice bieten kann, haben die Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Krankheitsurlaub.

Nach einer anderen (konservativeren) Auslegung wird ein solcher Fall als höhere Gewalt qualifiziert. Gemäß Art. 146 Abs. (1) des ungarischen Arbeitsgesetzbuchs wäre der Arbeitgeber dann von seinen Verpflichtungen entbunden und die Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch auf Zahlung ihres (Grund) Gehalts.


3. Welche staatlichen Zuschüsse oder wirtschaftlichen Erleichterungen bestehen zurzeit?

Durch die Regierungsverordnung 47/2020. (III. 18.) wurden Sofortmaßnahmen zur Linderung der Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie auf die Volkswirtschaft erlassen, um die Verpflichtungen der Arbeitgeber zur Zahlung direkter Steuern und Beitragszahlungspflichten zu mildern:

• Dies gilt für die Bereiche Tourismus, Gastgewerbe, Unterhaltung, Glücksspiel, Film, darstellende Künste, Veranstaltungen und Sport;

• Tourismusunternehmen sind von indirekten branchenspezifischen Steuerbeiträgen befreit;

• für die genannten geschützten Branchen/Sektoren dürfen Mietverträge für Nichtwohnräume bis zum Juni 2020 nicht einseitig gekündigt werden;

• kleine Unternehmen im Bereich des Personentransports sind für den Zeitraum von März bis Juni 2020 von branchenspezifischen Steuerzahlungspflichten befreit. Der Zeitraum der Erleichterungen kann angesichts einer längeren Dauer der Epidemie verlängert werden. Weitere Änderungen im gesetzlichen Umfeld werden erwartet, um der durch COVID-19 hervorgerufenen Gesundheits- und Wirtschaftslage entgegenzuwirken.

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